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Die Sicht der Anwohner

Hier veröffentlichen wir den offenen Brief der Anwohner des Hnterthals und der anliegenden Straßen an die Fraktionen der Herborner Stadtverordnetenversammlung

CDU (Fraktionsvorsitzender Herr Hühne)
SPD (Fraktionsvorsitzender Herr Menger)
B90/Die Grüne (Fraktionsvorsitzende Frau Garotti)
FWG (Fraktionsvorsitzender Herr Enenkel)
FDP/SGH (Stellvertretender Fraktionsvorsitzender
Herr Deworetzki, Herr Dr. med. Sbresny) und
den Stadtverordnetenvorsteher Herr Müller

Herborn, 11.09.2021

Stellungnahme zum geplanten Bauvorhaben der Firma Helm im Hinterthal

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Anwohner des Hinterthals und der angrenzenden Straßen haben wir mit großem Interesse und leider auch Enttäuschung die Diskussionen zu den geplanten Änderungen am Bebauungsplan für das ehemalige Toom-Gelände bzw. zu dem auf dem Gelände geplanten Bauprojekt der Firma Helm verfolgt. Auch nach der Bürgerversammlung von letzter Woche sehen wir eine Reihe von Fragen nicht beantwortet und stehen dem Ausmaß der geplanten Bebauung sehr kritisch gegenüber. Wir möchten mit diesem Schreiben noch mal die Gelegenheit nutzen, Ihnen unsere Kritikpunkte am geplanten Bauprojekt wie auch am Prozess der Öffentlichkeitseinbindung zu diesem Projekt darzulegen.

Zum Punkt Öffentlichkeitseinbindung:

Statt die Öffentlichkeit bei einem Projekt dieser Größenordnung und Bedeutung für die Stadt Herborn frühzeitig zu informieren und einzubinden, macht es den Eindruck, dass hier insbesondere von Seiten der Bürgermeisterin auf Zeit gespielt wurde, um nun die bereits getroffenen Absprachen mit der Firma Helm mit Verweis auf den angeblichen zeitlichen Handlungsdruck durch die politischen Entscheidungsgremien durchzujagen. Die Dissonanz zwischen Frau Gronau und Ihnen bzw. Ihren Fraktionen in diesem wie auch bei weiteren Themen wurde dabei in der Bürgerversammlung sehr deutlich, so dass man sich im Lauf der Veranstaltung die Frage stellen musste, wie unter diesen Rahmenbedingungen grundsätzlich überhaupt eine Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und den politischen Gremien zum Wohle unserer Stadt und Ihrer Bürger möglich ist.

Umso enttäuschender empfinden wir es, dass Ihre Fraktionen mehrheitlich gewillt sind, dem vermeintlichen Druck nachzugeben und dem geplanten Bauprojekt ohne eine dezidierte, vollumfängliche Betrachtung seiner Auswirkungen für die gesamte Stadtentwicklung zuzustimmen. Der angebliche zeitliche Handlungsdruck überzeugt hier als Argument für ein schnelles Durchboxen des geplanten Projektes nicht. Schließlich hätte man mit den Diskussionen zu dem geplanten Bauvorhaben und der eigentlich im Vorfeld überfälligen Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes zur städtebaulichen Entwicklung Herborns bereits im letzten Jahr gerade vor dem Hintergrund der Kommunalwahl im März anstoßen können (wenn nicht sogar schon deutlich früher, das betreffende Gelände liegt bekanntlich seit Jahren brach und das Thema der Stadtentwicklung ist auch nicht neu). Das wäre auch der richtige Zeitpunkt für eine Einbindung der Bürger gewesen, die auf Basis der Positionen Ihrer Parteien zu einem städtebaulichen Gesamtkonzept im Allgemeinen und zum HelmProjekt im Speziellen ihre Wahlentscheidung hätten treffen können und damit letztlich auch in die Entscheidungsprozesse eingebunden gewesen wären.

Zu unserer Kritik am geplanten Ausmaß des Helm-Bauprojektes:

Als direkt betroffene Anwohner hat man verständlicherweise keinen neutralen Blick auf ein Bauvorhaben dieser Dimension in seiner Nachbarschaft. Die Anzahl der geplanten Gebäude sowie die Geschossigkeit wird naturgemäß sehr kritisch von der angrenzenden Nachbarschaft gesehen. Dass es sich hierbei für die Verhältnisse einer Stadt wie Herborn um eine massive Bebauung sowohl hinsichtlich Anzahl als auch Geschossigkeit der Gebäude handelt, wird aber nicht nur von den Anwohnern so empfunden.

Dies scheint auch Ihnen bzw. Ihren Fraktionen bewusst zu sein und wurde auch mehrfach in den öffentlichen Sitzungen des Bauausschusses zum Ausdruck gebracht. Der vermeintliche Kompromissvorschlag der Firma Helm für (wenige) einzelne Gebäude des Gesamtvorhabens die Geschossigkeit von sechs Geschossen plus Staffelgeschoss um ein Geschoss auf fünf Geschosse + Staffelgeschoss zu reduzieren, ändert an der Gesamtdimension des Vorhabens nur wenig und stellt keine konsensuale Lösung dar.

Mit dem pauschalen Verweis auf die Wohnungsknappheit in Herborn und die Angst vor dem Absprung des Investors nun aber dem geplanten Projekt bzw. der damit verbundenen Änderungen am Bebauungsplan zuzustimmen, ist daher in der Argumentation für Ihre mehrheitliche Zustimmung sehr dürftig.

Unter anderem wurde bislang nicht konkret erläutert wie hoch eigentlich der Wohnungsbedarf in Herborn ist, für welche Bevölkerungsgruppen das angedachte Projekt Wohnraum schafft (um sozialen Wohnungsbau handelt es sich wie bereits öffentlich kommuniziert in jedem Fall nicht), in welcher Größenordnung die Stadt Herborn Wohnraum angesichts der gegebenen bzw. damit einhergehend noch zu entwickelnden Infrastruktur zur Verfügung stellen kann und im Hinblick auf ihre Attraktivität auch will, wie dieser Wohnraum im Hinblick auf die verschiedenen Interessenslagen angemessen auf das Stadtgebiet verteilt werden kann, welche Maßnahmen für den Ausbau der Infrastruktur (Verkehrskonzept, Ausbau Kindertagesstätten, Versorgungskonzept, etc.) für geplante Projekte zur Schaffung von mehr Wohnraum erforderlich sind und umgesetzt werden können.

Wie auch in der Bürgerversammlung von verschiedenen Seiten angemerkt, kann es nicht zielführend für die Entwicklung Herborns sein, jedes geplante Bauprojekt nur für sich zu betrachten, sondern es ist ein Gesamtkonzept für die städtebauliche Entwicklung zu erarbeiten, in dem gerade diese Fragen erörtert und beantwortet werden. Damit würden sich dann auch ggf. Nachteile für einzelne Interessensgruppen zumindest erklären lassen. Uns ist hierbei durchaus bewusst, dass eine städtebauliche Entwicklung nicht alle Einzelinteressen berücksichtigen kann und übergeordnete Interessen wie eben akuter Wohnungsbedarf durchaus über den Einzelinteressen der von entsprechenden Bauprojekten betroffenen Anwohnerschaft stehen kann bzw. wohl auch stehen muss.

Eine sachgerechte Abwägung zwischen den jeweiligen Interessen und die Erörterung von Alternativen für einen bestmöglichen Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessensgruppen sollte dennoch zwingend geboten sein. Diese Abwägung ist bei dem Entscheidungsprozess zum Helm-Projekt aber in keiner Weise zu erkennen.

Es geht uns nicht um eine grundsätzliche Ablehnung des Projektes. Die Schaffung von Wohnraum auf dem brachliegenden Gelände ist absolut nachvollziehbar und sinnvoll, ebenso wie die allein schon aus ökologischen Gründen grundsätzliche Notwendigkeit zu einer Verdichtung von Wohnraum. Beim Ausmaß der Bebauung aber allein die Attraktivität sprich Renditemaximierung für den Investor zu befriedigen, ist ein nicht akzeptables Vorgehen. Es macht hier den Eindruck, dass im Rahmen der Verhandlungen sehr devot gegenüber dem Investor agiert wurde und keine klare Verhandlungsposition von der Stadt Herborn eingenommen wurde. Der Investor hat das Grundstück unter dem aktuell noch gültigen Bebauungsplan zu den vermutlich daraus abgeleiteten günstigen Konditionen schließlich erworben, so dass man sehr wohl auch von ihm die Bereitschaft zu einer konsensualen Lösung einfordern kann.

Hinsichtlich der Auswirkungen für die angrenzende Nachbarschaft ist überdies noch zu berücksichtigen, dass mit dem Bauprojekt der GBS, das drei viergeschossige Wohnhäuser mit 60 Wohnungen vorsieht und unmittelbar an das Helm-Projekt angrenzt, bereits ein Großprojekt im Hinterthal genehmigt wurde. In Summe würden damit knapp 300 Wohnungen im Hinterthal neu entstehen, so dass möglicherweise 600 bis 800 Menschen neu im Hinterthal angesiedelt würden (einige Dörfer im Dillkreis sind kleiner). Absolut unverständlich ist hierbei, warum zum Zeitpunkt des Genehmigungsverfahren hinsichtlich der Bebauungsplanänderung für das GBS Projekt vor zwei Jahren nicht bereits über eine Planänderung für das gesamte Areal diskutiert und entschieden wurde. Die Stadtverwaltung und der Magistrat hätten in diesem Zuge eine Planungsvorlage erstellen bzw. in Auftrag geben können, um potenziellen Investoren eine Grundlage für Ihre Vorhaben zu geben. Anstatt dessen überlässt die Stadt die Planungen zur Stadtentwicklung einem privaten Investor, der sein Vorhaben an der eigenen Gewinnmaximierung ausrichtet.

Wir bitten Sie aus den genannten Gründen, noch mal ihre Haltung zum Helm-Projekt zu überdenken und vor der Entscheidung zu diesem Einzelprojekt die Stadtverwaltung und den Magistrat mit einem von unterschiedlichen Seiten bereits geforderten Gesamtkonzept zur städtebaulichen Entwicklung für Herborn zu beauftragen, in dem die aufgeworfenen Fragen nachvollziehbar geklärt werden. Ferner würden wir es begrüßen, wenn Sie bzw. Ihre Fraktionen vor Ort noch einmal in einen persönlichen Dialog mit den Anwohnern treten würden, um die unterschiedlichen Positionen und offenen Fragen zu erörtern und nach konsensualen Lösungen zu suchen. Wir möchten an dieser Stelle abschließend betonen, dass wir die Stadtentwicklung Herborns nicht bremsen oder gar blockieren wollen, es geht uns ausschließlich und allein um eine sachgerechte Abwägung aller Interessenslagen.

Über Rückmeldungen zu Terminabsprachen würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Bertolt und Carolin Dintelmann Hinterthal 6c
Gerd-Walter und Anni Löb Am Birkenhof 6
Inge und Karl Binder Am Birkenhof 4
Dr. Joachim und Cornelia Cigan Am Birkenhof 3
Swen und Ursula Reuter Austraße 21
Sandra Weil Austraße 28
Sibylle Cunz-Barnusch und Klaus Barnusch Hinterthal 1a
Christian Stuhl Ringofenstraße 10
Kathrin Cunz-Baumann und Alexander Cunz Ringofenstraße 9 Alexander und Kerstin Schüler Hinterthal 14
Familie Krüger-Zechlin Austraße 20

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